Warum Natur-Coaching?

Der Aufenthalt in der Natur besitzt eine ganz eigene Qualität. Die körperliche Bewegung fördert auch die geistige und emotionale Beweglichkeit. Die Loslösung von den Zwängen des Alltags und innovatives Denken fallen leichter. Der Geist ist frei. Die Natur ist der ideale Ort, um Einstellungen zu erweitern und Altvertrautes aus einem neuen Blickwinkel zu sehen. Die gesundheitsfördernden Wirkungen des Aufenthalts und der Bewegung im Grünen sind in zahllosen Studien belegt und unter dem Begriff „Biophilia“,ausführlich beschrieben. (1)

Wer sich in der Natur bewegt, fühlt sich danach kraftvoller als bei gleichen Aktivitäten drinnen. Schöne Landschaften lösen zudem positive Gefühle aus, die uns großzügiger und freundlicher  zu anderen sein lassen.

Spaziergänge in der Natur helfen gegen unliebsames Grübeln, die Laune hebt sich. In der Stadt gelingt das weniger gut. Naturklänge wie Vogelgezwitscher und Wasserplätschern führen nach einem Stress-Erlebnis deutlicher und schneller zur Entspannung als andere Geräusche, selbst wenn diese leiser sind.

Der Aufenthalt im  Wald lindert Stress, stärkt das Immunsystem und hebt das Selbstwertgefühl – und zwar schon innerhalb kürzester Zeit. Aber auch andere Landschaften wie das Meer oder die Berge berühren die Seele. Wenn man im Wald spazieren geht, schlägt das Herz messbar ruhiger, der Blutdruck sinkt, die Muskeln entspannen sich. Gleichzeitig werden Angespanntheit, Stress und Erschöpfung verscheucht und positive Gefühle erscheinen größer. Die unaufhörliche Reizabwehr in den Städten ermüdet auf Dauer. In der Natur hingegen wird Aufmerksamkeit ohne Anstrengung auf nur wenige Reize gelenkt. Wer gedankenverloren den dahinziehenden Wolken nachsieht oder singenden Vögeln lauscht, kuriert den Forschern zufolge die mentale Erschöpfung, die aus der ständigen Reizüberflutung im Alltag verursacht wird.
Die Natur erleichtert uns, Zugang zu einer Ebene in sich zu finden, die kraftvoll, klar und unbelastet ist. Man löst sich aus dem Problemkontext des reinen drüber Nachdenkens und gewinnt Überblick.

Coaching in und mit der Natur

Die Natur bildet einen Spiegel aller individuellen Themen und Anliegen des Coachees. Denk – und  Verhaltensmuster können über den Raum Natur sichtbar gemacht werden. Die Natur bietet dazu eine Projektionsfläche und schafft die Möglichkeit, sich über symbolische Formen und Bilder mit den jeweiligen Anliegen auseinanderzusetzen.
Die Erfahrungen, die auf körperlichen Erfahrungen beruhen, sind tiefer als nur auf Hören oder Sehen beruhende Einsichten. Alleine die Wahrnehmung und die Spiegelung von persönlichen Handlungen aus einer Fremdperspektive kann ein großes Wagnis und Abenteuer sein. Viele Themen, die ein Mensch in sich trägt, bewusst und das meiste unbewusst, lassen sich in den Naturraum projezieren.  Wenn man sich nun im Coaching-Prozess diesen Natur-Raum zu Nutze macht, dann lädt der Coach seinen Coachee ein, darauf zu achten, welchen Dingen und Räumen, Plätzen er Bedeutungen zumisst. Grundvoraussetzung ist dabei, dass man sich erlaubt, diese Bedeutungen  auch wahrzunehmen. Hier gilt es jene Wahrnehmungen von Bedeutungen in den Mittelpunkt des Coaching-Prozesses zu stellen, die für den Coachee bezüglich seinem Anliegen unterstützend sind, einer Lösung näher zu kommen. Was an Beobachtungen und Wahrnehmungen wichtig ist, kann nur der Coach letztendlich selbst beantworten. Der Coach kann Hypothesen aus seiner Wahrnehmung aufstellen, sie dem Coachee anbieten und seine Einschätzung zu bestimmten Beobachtungen zur Verfügung stellen.

Vieles ist im Naturraum wahrzunehmen. Ob ein Zeichen, eine Wahrnehmung oder eine Erfahrung im Naturraum für den Coaching-Prozess wichtig ist, kann rational und objektiv nicht geklärt werden. Es bleibt immer im Ermessen des Coachees, ob er oder sie die Erfahrung  „braucht“ Damit das alles, was im Naturraum passiert, wirken kann, werden Metaphern, Rituale  oder kreative Gestaltungsformen eingesetzt. Das Besondere dabei ist, dass die Natur mit all ihren Erscheinungsformen in direktem Bezug zu dem Anliegen des Coachees sein kann.  Sie dient hier  als Spiegel und Resonanzraum  und bietet mit Unterstützung des Coaches Wege zur Lösung an. Der Natur-Coach erspürt diese Wechselwirkung zwischen Klient und Natur und steuert den Coachingprozess dabei ressourcenorientiert und lösungsorientiert über etablierte Interventionsmethoden des Coachings.

Der Fokus dieses Coaching richtet sich nach dem zu bearbeitenden Thema – mal steht mehr der besinnliche Aufenthalt an einem besonderen Platz im Vordergrund, dann wieder die Fortbewegung in der Natur. Stehen Sie vor einer wichtigen Entscheidung, kann es beispielsweise Aufgabe sein, »Ihren Weg zu finden«. Benötigen Sie Kraft und Ressourcen in einer schwierigen Situation, kann der Spaziergang dazu dienen, sich von dem ausgeklügelten Ökosystem Natur anregen zu lassen: Die Kraft der Eiche – die Biegsamkeit der Weide – der stimmige Ablauf der Jahreszeiten u.a. Ein andermal wiederum kreieren Sie symbolhaft aus Naturmaterialien eine mögliche Lösung…

Ob wir die Zeit eher im Gehen oder an einem bestimmten Ort in der Natur verbringen, richtet sich nach Ihrem Anliegen.
Beim »Wandercoaching« handelt es sich um mehrstündige Coachings, die in eine längere Wanderung eingebettet sind. Die Kombination von Coaching und Wanderung bietet sich insbesondere bei Themen wie Zielfindung, Visionssuche, Durchhaltevermögen usw. an. Dann dient die gesamte Wanderung als Metapher für das Anliegen.

Eine andere Qualität erzeugt das Erlebniscoaching. Dazu werden in der Natur Herausforderungen aufgesucht, z. B. anstrengende Wanderungen, Klettern, Klettersteige, Hochseilgarten. Zur Bewältigung dieser Herausforderungen muss die „Komfortzone“ verlassen werden. Dabei werden Ressourcen und Potentiale aktiviert und die bewusste Auseinandersetzung mit eingefahrenen Mustern, Unsicherheit, Stress, Angst, gefördert. Alternative Verhaltensstrategien können so in einem „geschützten“ Rahmen eingeübt werden.

Voraussetzung für ein Coaching in der Natur ist die Klärung des Anliegens und Zielformulierung sowie die Bereitschaft sich in der Natur zu bewegen und die Zeit dafür bereit zu stellen.

(1) Anmerkung:

Der Biologe Clemens G. Arvay hat in seinem Buch „Der Biophilia-Effekt“  ( Biophilie (altgriech. bios „Leben“ und philia „Liebe“) wissenschaftliche Erkenntnisse zusammengetragen, wie Pflanzen mit dem Menschen in Beziehung stehen. Zunächst einmal klärt er darüber auf, dass Pflanzen u. a. über Düfte untereinander kommunizieren, z. B. über sogenannte Terpene. Damit warnen sie benachbarte Pflanzen vor Fressfeinden, damit diese ihre Abwehrkräfte aktivieren, locken Tiere, Feinde der Schädlinge, heran, schützen sich vor zu hoher Sonneneinstrahlung oder vergiften Schädlinge aktiv. Ebenso kommunizieren sie mit dem Immunsystem des Menschen. Inzwischen, so Arvay, wurde das Immunsystem von der Immunologie als eigenes Sinnessystem erkannt, das innerhalb des Körpers wahrnehmen, kommunizieren und handeln kann und ebenso permanent mit der Umwelt im Austausch steht. Im Wald beispielsweise trifft nun das kommunizierende Immunsystem auf Abertausende miteinander kommunizierende Pflanzen, die über ihre Blätter, Nadeln und Stämme u. a. Terpene an die Luft abgeben, die wir Menschen über die Haut und die Lungen aufnehmen. Wie japanische Wissenschaftler herausfanden, reicht bereits ein Tag im Wald, um die Anzahl der natürlichen Killerzellen um vierzig Prozent zu steigern, dieser Effekt hält bis zu sieben Tage an. Zwei Waldtage bewirken einen Anstieg und eine Leistungssteigerung der Killerzellen um fünfzig Prozent. Nach Arvay  ist in Japan deshalb „Waldbaden“ („Shirin-yoku“), also das Einatmen der Waldluft beim Waldspaziergang eine anerkannte Methode zur Prävention und zur unterstützenden Behandlung. Sogar ein eigener wissenschaftlicher Forschungszweig, die Waldmedizin, wurde im Jahr 2012 an japanischen Universitäten gegründet.

 

Literatur:
Arvay, Clemens, Der Heilungscode der Natur, Riemann, München, 2016
Kreszmeier, Astrid Habiba, Systemische Naturtherapie ,Carl-Auer,Heidelberg, 2012
Wohlleben, Peter, Das geheime Leben der Bäume, Ludwig, München 2015